RailHope im Gespräch
mit Kolleginnen und Kollegen.

WENN DAS
AUSSENBILD
RISSE BEKOMMT …

ANDREAS WISLER

Aufgewachsen auf einem Bauernhof im Emmental mit einer unspektakulären «glücklichen Kindheit», wird Andreas Wisler Bahnbetriebsdisponent. Er heiratet seine Jugendliebe und arbeitet später als Produktmanager bei der SBB. Doch berufliche Herausforderungen, drei kleine Kinder, ein Hausumbau, lange Feierabendbiere und das Rauchen als Ablenkung hinterlassen ihre Spuren bis er im Psychiatriezentrum landet …

 

Ich habe immer viel gelesen und habe mich sehr für politische, ethische und auch religiöse Fragen interessiert. Gott bedeutete für mich Tradition: Taufen und Hochzeiten wurden in der Kirche oder an einem Alpgottesdienst
gefeiert. Vor Weihnachten sangen wir Weihnachtslieder in der Schule, und meine Mutter las uns die Weihnachtsgeschichte vor. Früh haben mich auch die fernöstlichen Religionen fasziniert, vor allem auch über die Geschichte des Dalai Lama. Ich kam für mich zum Schluss, dass es wohl eine höhere Macht geben würde, wollte mich aber nie auf eine einzige Religion festlegen. Zudem haben mich ethische und politische Zusammenhänge mehr interessiert.

Ich musste funktionieren …

So gingen die Jahre ins Land: Ich heiratete meine Freundin, welche ich schon seit der Jugendmusik kannte und wir bekamen drei Söhne. Wir kauften ein altes Haus und bauten es nach und nach aus. Nach einigen Jahren als Bahnbetriebsdisponent hatte ich berufsbegleitend noch Betriebsökonom studiert. Anschließend konnte ich ins Produktmanagement des Fernverkehrs eintreten und dort anspruchsvolle Tätigkeiten als Projektleiter, Produktmanager
und später als Angebotsplaner ausführen. Also eigentlich alles wie im Bilderbuch. Doch das schöne Außenbild bekam immer mehr Risse: Da war einerseits meine Arbeit als Angebotsplaner, bei der ich zu Beginn ziemlich zu kämpfen hatte,
um den Anforderungen gerecht zu werden. Dazu kam der lange tägliche Arbeitsweg von Sumiswald nach Bern. Zuhause drei kleine Kinder und meine Frau mit ihren Bedürfnissen und dann noch der ganze Hausumbau. Aber irgendwie musste ich ja funktionieren. Entspannung und Abwechslung suchte ich mir, indem ich mit den Arbeitskollegen zum Feierabendbier traf, beim Surfen im Internet und beim Rauchen. Ich saß oft bis lange nach Mitternacht noch daheim vor dem PC – aber am nächsten Morgen um sechs fuhr schon mein Bus. So mogelte ich mich einigermaßen durch und nach außen war immer noch alles im Lot. Und dann wurde mir plötzlich komisch, denn meine Umwelt schien sich zu verändern.

Realitätsverlust

Alles rund um mich war irgendwie magisch, alles hing irgendwie mit allem zusammen. Ich wanderte durchs Großraumbüro der SBB im Wylerpark (Bern) und staunte, wie alle beschäftigt waren und wie alles irgendwie zusammenpasste. Es schien, als gäbe es wohl eine geheime Macht oder einen Geheimzirkel oder irgendwas, das all dies zusammenhielt. Auf dem Arbeitsweg fühlte ich mich von den Leuten komisch angeschaut und ich dachte, es seien alles Eingeweihte. Ich konnte mir keinen wirklichen Reim machen auf das, was um mich herum passierte. Und dann habe ich mich auch noch im Untergeschoss des Bürogebäudes verlaufen und wusste nicht mehr, wo ich war und ich brach schließlich zusammen. Mit dem Krankenwagen wurde ich ins Spital gebracht, wo nach langen Abklärungen eine akute Psychose (Wahn und Realitätsverlust) diagnostiziert wurde. Ich wurde ins Psychiatriezentrum Münsingen verlegt, wo ich dann spät in der Nacht aufgenommen wurde. Die Umgebung dort war fremd, ich war übermüdet und gleichzeitig voll mit Adrenalin. Ich sah überall Zeichen und Zusammenhänge und konnte nicht einordnen, was mit mir passierte. Mir wurde bewusst, dass ich
in der Psychiatrie war und machte mir Sorgen, wie es wohl beruflich und mit meiner Familie weitergehen würde. So wanderte ich auf der geschlossenen Station herum und fand keine Ruhe. Im Raucherraum war es zwar dunkel, aber wenigstens
gab es ein Radio mit Musik.

Bleibende Geborgenheit

Dann kam irgendwann nach Mitternacht eine Talk-Sendung, bei der auch über den christlichen Glauben gesprochen wurde. Ich hörte zu und war noch mehr verwirrt, weil jetzt auch noch Gedanken über Gott in meine eh schon verworrenen Gedankengänge einflossen. Irgendwann habe ich dann das Badezimmer bei unserem Gemeinschaftsraum aufgesucht. Dort war es sauber, ruhig und hell. Ich habe das erste Mal seit langem wieder gebetet und Gott um ein Zeichen gebeten, falls es ihn gebe. In den nächsten Tagen habe ich tatsächlich viele kleine und große Zeichen erhalten. So hat mir zum Beispiel eine Mitpatientin den Raum der Stille auf dem Gelände des Psychiatriezentrums gezeigt, wo ich mich zurückziehen und in Ruhe beten konnte. Eine ältere Mitpatientin hat jeweils Bibelsprüche verteilt, welche mir genau auf meine Situation zu passen schienen. Auch erinnere ich mich genau an eine Situation, in der die Abendsonne direkt in den Aufenthaltsraum schien, wo gerade nur ich und die Stationskatze waren, und alles passte zusammen und gab mir Ruhe. Ich fühlte mich eins mit einer größeren Macht und konnte diese nun auch als Gott benennen. Aus naturwissenschaftlicher Sicht waren das wohl alles noch Nachwirkungen der Psychose, für mich aber bleibende Erinnerungen eines Gefühls der Geborgenheit, das mich seither nicht mehr losgelassen hat.

Rückfälle

Ich fühlte mich rasch besser und konnte die Klinik bald wieder verlassen – zurück ins Alltagsleben. Da ich mich gut fühlte, habe ich einfach dort weitergemacht wo ich aufgehört hatte, habe heimlich meine Medikamente abgesetzt und war bald wieder im alten Trott. Dann hatte ich einen Rückfall und musste erneut in die psychiatrische Klinik. Daraufhin habe ich dann meine Medikamente brav genommen und immer darauf geachtet, dass ich genügend Schlaf hatte. Meine Psychiaterin half mir, die Medikamente langsam auszuschleichen. Bald habe ich mir auf der Arbeit wieder mehr zugetraut. Alles ging mehr als ein Jahr gut. Dann gab es eine Phase mit intensiver Arbeitsbelastung und ich hatte prompt wieder
einen Rückfall. Diesmal musste ich länger in der Klinik bleiben und war dann auch länger krankgeschrieben. Da habe ich gemerkt, dass es wichtig war, mein Leben radikal zu ändern und das nicht allein schaffen kann. Irgendwann habe
ich bewusst zu Gott gesagt, dass ich ohne ihn nichts erreichen kann, dass ich mein Leben in seine Hand geben und akzeptieren würde, wo er mich hinführe.

Zurückfinden

Auch später habe ich noch einige schwierige Phasen durchgemacht: ich musste langsam wieder in den Arbeitsprozess zurückfinden und dabei immer sehr darauf achten, wie viel ich mir zumuten darf. Lange Zeit war ich auf der Suche nach
einer anderen Stelle – intern oder extern – wo ich weniger Verantwortung hätte, was aber mit psychischer Vorbelastung sehr schwierig ist. Dann hat mir meine Frau eröffnet, dass sie sich in einen anderen Mann verliebt hatte. Die Belastung,
die sie mit Haus, Kindern und einem kranken Mann hatte war einfach zu viel, so dass ihre Liebe zu mir zerbrochen war. Trotzdem haben wir einen Weg gefunden, wie wir uns beide gemeinsam und mit gegenseitigem Respekt um unsere Kinder kümmern können. Später habe ich dann auch wieder Liebe in einer neuen Beziehung gefunden. Ich achte nun sehr auf meine Gesundheit, mache regelmäßig Sport und Entspannungsübungen, rauche nicht mehr, schlafe genügend
und bin seither stabil. Beruflich hat sich immer wieder eine Türe geöffnet, so dass ich in unterschiedlichen Funktionen bei der Angebotsplanung bleiben konnte. Heute arbeite ich für SBB Personenverkehr am Projekt «SmartRail – die
Bahn der Zukunft» mit, wo ich meine Erfahrung optimal einbringen kann.

Gott trägt mich

Meine Beziehung zu Gott ist geblieben und hat mich über all die Jahre getragen. Regelmäßige ehrliche Gespräche mit Gott – Gebete – gaben mir stets Zuversicht, und ich durfte Gott schon für viele kleine und große Gebetserhörungen
danken. Ich weiß jetzt, dass ich auch in schwierigen Zeiten auf ihn vertrauen kann und er einen Plan mit mir hat. Ich nehme regelmäßig an den RailHope-Gebetstreffen Wylerpark und Wankdorf teil und bin auch in einer Kleingruppe in unserer Kirchgemeinde.


Von Andreas Wisler

Und Du?

Hast auch Du etwas aussergewöhnliches mit Gott erlebt? Dann sende uns doch auch DEINE Story! Wir werden uns zeitnah mit dir in Verbindung setzen.

Fragen?

Hast Du Fragen welche Dich beschäftigen? Oder Sorgen die Deinen Alltag bestimmen? Unsere RailPastoren stehen Dir gerne gratis und anonym zur Verfügung.

Treffpunkte

Mitarbeiter/innen im ÖV treffen sich regelmässig an zahlreichen Treffpunkten für Austausch, Ermutigung und Gemeinschaft. Schau doch mal vorbei!

Story teilen

Möchtest du jemanden mit dieser Geschichte ermutigen? Dann leite die Story doch einfach weiter …

This is a unique website which will require a more modern browser to work! Please upgrade today!