Vor einigen Monaten besuchte ich die Nachtschicht – Mannschaft in einem Depot meines Dienstbezirkes. Es war ein guter Besuch, auch wenn die meisten Angestellten ziemlich erstaunt waren, zu dieser ungewohnten Stunde einem Chaplain zu begegnen. Nachdem ich meinen Rundgang durch das Gebäude beendet hatte machte ich mich auf die Heimreise nach London und erreichte noch den 00.15 – Zug.
Es war ein langer Abend gewesen und eine Tasse Tee schien angebracht. Ich ging durch den Zug und stellte fest, dass der Bistro-Wagen noch geöffnet war – die Bahngesellschaft Great Western bietet einen guten Service! Die Dame im Bistro reichte mir eine Tasse Tee und ein ebenfalls dort anwesender Mann verwickelte mich in ein Gespräch. Er erzählte mir, dass er gerade eine dreiwöchige „Sauf-Tour“ hinter sich habe, und aus der Menge der Drinks“ zu schliessen, die er kaufte, schien er die Tour auch noch nicht so bald beenden zu wollen. Während unseres Gespräches fiel ihm plötzlich meinen Anstecker mit der Aufschrift „Station Chaplain“ auf. Es war witzig, sein ungläubiges Gesicht über einen Chaplain in einem Zug zu beobachten. Hatte er doch gedacht, dass er nach dem Verlassen des Gefängnisses nichts mehr mit Chaplains zu tun haben würde.
„Der Chaplain im Gefängnis hat einen Alphalive-Kurs mit mir durchgenommen“ erzählte er mir. Nun kamen wir erst richtig ins Gespräch. „Was haben Sie bei diesem Kurs gelernt?“ fragte ich ihn. Er zählte mir verschiedene Dinge auf welche ganz klar aus dem Alpha Kurs stammen. Ich hörte ihm eine Weile zu und fragte ihn dann, wie er sich fühlen würde, wenn jemand all seinen Ärger, seine Gewalttätigkeit und seine Bitterkeit, von der er mir berichtet hatte, nehmen und in den grossen Reisesack werfen würde, den der mit sich führte, und den Sack für immer und ewig entsorgen würde? „Jetzt erzählen Sie aber Unsinn“, meinte er. „Aber das ist genau das, was Jesus möglich machte als er am Kreuz starb“ erklärte ich ihm und erinnerte ihn den Alphalive-Kurs. Ja, jetzt fiel es ihm wieder ein.
Da wir uns bereits unserem Zielbahnhof näherten schlug ich vor, dass wir gemeinsam beten könnten bevor wir aussteigen und einander wohl nie wieder begegnen würden. Er stimmte zu und ohne jede Anleitung beugte er seinen Kopf und schloss seine Augen zum Gebet. Ich bat Gott, er möge in seiner Gnade all‘ den Ärger, den Schmutz etc. von diesem Mann wegnehmen und ihn von seinem Lebensstil erlösen. Als ich fertig war, blieb er für längere Zeit ganz still, und dann war „Wow!“ das einzige Wort, das er heraus brachte. Endlich fragte er „Was haben Sie mit mir gemacht?“ „Ich habe gar nichts gemacht“, erwiderte ich, „ich habe nur gebetet. Wenn noch etwas anderes passiert ist, dann war das Gottes Werk“.
Wir stiegen aus dem Zug aus und traten aus dem Bahnhof. Dort fragte er mich, ob wir noch weiter reden könnten. So sassen wir auf eiskalten Metallsitzen und er stellte mir weitere Fragen und erzählte mir noch mehr aus seinem Leben. Nach einer halben Stunde sagte er: „Die Dämonen in meinem Kopf sagen mir, dass ich jemanden zusammenschlagen soll“. „Wenn das so ist, sollten wir nochmals beten“ schlug ich vor. „Ja, das wollen wir“, so seine Antwort. Und so kam es, dass wir mitten auf dem Bahnhofplatz Gott darum baten, ihn vom Einfluss und der Macht der Dämonen zu befreien und ihm den Frieden zu geben, den nur Jesus geben kann. Das Resultat war genau dasselbe wie zuvor: Es verschlug ihm für mehrere Minuten die Sprache bis das „Wow“ wieder über seine Lippen kam. Und dann sagte er etwas, was mich sehr überraschte: „Ich muss zu meinem Bruder gehen und mich bei ihm für den vielen Kummer zu entschuldigen, den ich ihm über all‘ die Jahre bereitet habe.“
Wenig später sagte er mir, das er nun allein sein müsse, und so übergab ich ihm ein neues Testament und verliess ihn. Hätte ich ein weiteres Gespräch vereinbaren sollen? Es schien mir in diesem Moment nicht angemessen zu sein. Gott war am Werk. Er selber hatte die Begegnung mit dem Gefängnisseelsorger arrangiert, genauso wie er unser Treffen in dieser Nacht ermöglicht hatte. Gott hatte die Veränderung bewirkt, die ich miterlebt hatte, und er würde den Mann auch in Zukunft leiten.
Martin Lawrence, LCM Chaplain (Eisenbahn-Seelsorger) im Bahnhof London Paddington
Der Alphalive-Kurs bietet eine zeitgemässe Möglichkeit, sich mit dem christlichen Glauben zu beschäftigen.