Die Diagnose Krebs bei ihrem sechsjährigen Sohn veränderte das Leben von SBB Zugchef Marco Suter und seiner damaligen Frau dramatisch. Es begann ein Kampf zwischen Hoffnung und Resignation.
Von Marco Suter
Im Jahr 2006 war für mich und meine Familie noch alles in Ordnung. Wir hatten zwei tolle Kinder, einen Sohn und eine Tochter. Gelegentlich begleitete mich der Sohn bei der Arbeit als Zugchef und half mit, die Fahrscheine zu «knipsen». Sehr zur Freude der Fahrgäste, die schmunzeln mussten, wenn mein Sohn durch die Zugänge marschierte mit einer viel zu großen Zange für seine kleinen Hände. Ich war gerne Papa von unseren Kindern und bin es noch heute. Ich war unbeschwert und glücklich, wenn es meiner Familie gut ging.
Schockdiagnose – Tumor!
Im November 2006 wurde bei unserem Sohn ein bösartiger Tumor von den Nieren zum Bauch wachsend diagnostiziert! Prognose: 30 Prozent Lebenserwartung. Von diesem Prozentsatz haben sieben von zehn Kindern wieder Rückfälle. Schock!! In mir drehte sich alles wie ein Karussell. In diesem Moment war ich sprachlos. Ich wusste nicht was sagen, außer: «Wir machen die Chemo-Behandlung!» Meine damalige Frau schaute mich an. Ich konnte ihrem Blick nicht standhalten und murmelte nur: «Wir machen die Behandlung!» Ich war so entmutigt, weinte in der Nacht, suchte Gott und betete: «Vater im Himmel, im Namen Jesus, ich stehe auf deiner Seite in diesem Sturm – egal was kommen mag – ich stehe fest auf deiner Seite. You are my God! And you are good!» Dann fing die Behandlung. Vier stationäre Chemotherapien und eine Hochdosis-Chemo. Meine Frau und ich pflegten meinen Sohn je 24 Stunden abwechselnd. Er soll nie alleine sein in diesen Stunden, wo sich Schleimhäute ablösen, und Erbrechen, Appetitlosigkeit und Unwohlsein mit Schmerzen verbunden den Tagesablauf bestimmen. In dieser Zeit wurde uns alles abverlangt, was menschlich für Eltern zumutbar ist. Ich fing tellerweise Blut von meinem Sohn auf, das er erbrach oder über den Darm ausgeschieden wurde. In diesen grausamen Zeiten schwindet deine Kraft massiv. Dein eigenes Fleisch und Blut, dein liebes Kind leidet unbeschreibliche Qualen, damit es eine Chance hat zu überleben. Alles muss desinfiziert werden, damit keine Bakterien auf das lahmgelegte Immunsystem greifen, was lebensbedrohend wäre. Und das Schlimme, ich konnte ihm keine der Qualen abnehmen – schrecklich!!! Ich schrie zu Gott … Ich sackte auf die Knie, legte all meinen Stolz und meine Selbstgerechtigkeit ab und schrie zu Gott: «Ich kann nicht mehr! Ich ertrag nichts mehr! Ich kann nicht mehr stehen in diesem Kampf! Bitte, ich brauch deine Hilfe jetzt!! Vater im Namen Jesus! Heile mein Herz und meine Seele von den tiefen Verletzungen, die meine Augen gesehen haben! Gib mir die Kraft um zu stehen in diesem Kampf!» In diesem Moment durchströmte die Gegenwart Gottes wie ein warmer Strom durch mein Herz, welches dann von bedingungsloser Liebe und Annahme, absoluter Geborgenheit und Hoffnung, Zuversicht und Kraft gefüllt wurden. Mein Herz war komplett erfrischt. In voller Stärke stand ich auf und betete zu Gott und sprach: «Danke Vater im Himmel für deine Barmherzigkeit Danke für deine Güte. Danke für deine Hilfe in der Not. Ich kann stehen und bin erfrischt, mein Herz ist voller Liebe, der Schmerz ist weg! Ich habe wieder Kraft zu kämpfen!» Ich ging ins Spitalzimmer zu meinem Sohn, stand vor seinem Bett und sagte ermutigt: «Wir kämpfen weiter! Denn Gott ist mit uns! Yeah!» Mein Sohn strahlte mich mit einem Lächeln an, und wir gaben uns gegenseitig ein «High Five»! (Gegenseitiges Abklatschen mit je einer Hand) Erfüllt mit der übernatürlichen Liebe Gottes ist es so leicht, diese grosszügig weiterzugeben, in der Not auch weiter zu kämpfen und zu hoffen. Ich investierte viel an Zeit, Gedanken und Emotionen an der Seite meines Sohnes mit der Gewissheit, dass Gott leere Herzen immer füllt und kräftigt! Nach der Höchstdosis der Chemotherapie wurde unser Sohn am Bauch operiert mit der Diagnose, der Tumor wäre so aggressiv, dass die Therapie den Tumor nur gestreift habe. Der Hauptherd sei unverändert! Die Ärzte erklärten uns, dass unser Sohn etwa noch maximal drei Monate leben würde und selbst das wäre Wunschdenken, weil der Tumor linear weiter wächst… Wieder Schock!! Seit der Bauchoperation war unser Sohn auch auf den Rollstuhl angewiesen, weil der Tumor auf den Nerv drückte. Die Ärzte erklärten uns, dass dieser Zustand unverändert bleiben werde und er auch keine Schule mehr besuchen könnte. Wir nahmen unseren Sohn wieder zu uns nach Hause und bedankten uns bei den Ärzten und beim Spitalpersonal, welches uns sagte: «Wenn wir das Zimmer ihres Sohnes betraten, war dort immer so eine spezielle Atmosphäre von Leben drin!» Zu Hause sprachen wir als Familie in den Gebeten Gesundheit und Zuversicht über unserem Sohn aus. Gott beantwortete diese Gebete, indem unser Sohn aus dem Rollstuhl stieg und im Garten mit seinen Freunden spielte. Er konnte die Schule besuchen und war voller Lebenswillen. Aus den prognostizierten drei Monaten wurden zusätzliche weitere acht Monate. Bei jeder Kontrolle war ein Rummel von Ärzten und Krankenschwestern, welche staunten, dass es unserem Sohn so gut ging. Unser Sohn war ein Sonnenschein im Spital und daheim!
Du darfst loslassen…
Dann bekam ich eine Diskushernie im Rücken und zeitgleich konnte mein Sohn keine Nahrung mehr zu sich nehmen, weil der Tumor auf die Organe drückte. Es ist schwer zu beten, wenn man selber angeschlagen ist. Nun geschah etwas, das mich sehr berührte. Mein Sohn fing an, für meine Diskushernie zu beten. Im vollsten Vertrauen, dass Gott dieses Gebet erhört, nahm er seine spärliche Kraft und fing an zu beten. Ich wurde geheilt und erlebte einmal mehr die Nähe Gottes und erkannte, wie unerforschlich die Wege Gottes sind … Eines Abends sagte ich zu meinem Sohn: «Wenn Du zu Gott gehen möchtest, darfst du loslassen! Egal wie du dich entscheidest, wir lieben dich, und du bist ein wunderbarer Sohn!» Daraufhin lächelte er mich friedlich an… Der darauffolgende Sterbeprozess ging mit einem absoluten Frieden und Geborgenheit einher. Ohne Furcht, ohne Panik. Wir wussten nun, jetzt legen wir unseren Sohn in die Hände des «Allmächtigen Vaters von Himmel und Erde». Gottes Gegenwart im Zimmer unseres Sohnes war so stark, dass seine Geborgenheit und Liebe unsere Herzen völlig erfüllte. Auch wenn wir nicht verstehen, warum das Leben auch vorzeitig ein Ende nehmen kann, weiss ich als Vater eins: «JESUS CHRISTUS, DU
BIST TREU UND WAHRHAFTIG! – Auch in den Zeiten des Lachens, Kämpfens, Leidens und sogar des Sterbens!» Trotz des Verlustes meines Sohnes und der darauffolgenden Scheidung von meiner damaligen Frau kann ich bezeugen, dass die biblische Verheissung aus dem Buch der Offenbarung (21,4) schon in dieser Welt zeichenhaft erlebt werden kann. «Gott wird alle Tränen trocknen, und der Tod wird keine Macht mehr haben. Leid, Angst, und Schmerzen wird es nie wieder geben; denn was einmal war, ist für immer vorbei.»