Dampf, Motten und Rost (Joachim Diehl, Deutschland)

Rost

Von der Dampfeisenbahn geht eine besondere Faszination aus: Das Zischen und Stampfen, die Gerüche nach Öl und Russ, der verwirrende Anblick der Räder und Gestänge und nicht zuletzt die friedlich vereinten, gegensätzlichen Elemente Feuer und Wasser. Joachim Diehl ist von allem, was dampft, begeistert – und damit nicht alleine.

Joachim war bereits als sehr kleines Kind fasziniert von Technik. Sein Elternhaus stand in Hör-, Sicht- und sogar in Riechweite gegenüber einem Kleinstadtbahnhof. Und so verwundert es fast nicht, dass seine ersten Worte nicht «Mama» oder «Papa» sondern «Rauch raus» waren, was so viel bedeutete wie: «Ich will nach draußen zur Eisenbahn», die damals noch rauchte.

Natürlich stand der Berufswunsch bereits früh fest – und die Ausbildungsstelle bei der Bahn als Eisenbahner im Betriebsdienst war schnell gefunden. Der Besuch beim Bahnarzt am ersten Tag brachte jedoch ein jähes Ende der Träume: Die Augen waren zu schlecht! Joachim musste sich nach einer Alternative umschauen und wurde schliesslich Verwaltungsfachangestellter.

Bei der Museumsbahn

Die Sehnsucht nach der Eisenbahn blieb aber gross. Zum Glück gab es in der Nähe eine Museumseisenbahn. Schon bald konnte Joachim dort sein großes Talent als Heizerlehrling unter Beweis stellen – und damit seinem eigentlichen Berufswunsch näherkommen – sogar auf einer Dampflok. Für die schlechten Augen konnte eine Privatbahn-taugliche Lösung gefunden werden: er musste immer eine Reservebrille dabei haben.

Jede freie Minute verbrachte er bei «seiner» Eisenbahn. Da gab es immer viel zu tun: die grosse Sammlung der Fahrzeuge und die umfangreichen Bahnanlagen mussten restauriert und instand gehalten werden, Sonderfahrten waren zu organisieren. Ganze Gebäude wurden woanders abgebaut und im Stil der 20er-Jahre originalgetreu am Museums-Kleinbahnhof neu aufgebaut, so dass der Zauber der guten alten Zeit das Museumsbahngelände in Almstedt-Segeste noch heute umweht.

Die eigene Lok

Mit 19 gelang es Joachim, eine hübsche, in einem alten Gaswerk abgestellte Dampflokomotive an seinen Verein zu vermitteln. Mit der Zeit fehlte es aber an einer Perspektive und Geld für das wertvolle Stück. So war geplant, sie zu veräussern. Joachim aber hatte sein Herz daran gehängt. Er kaufte die Lok kurzerhand und bot an, sie zunächst äusserlich aufzuarbeiten, damit sie in seiner Nähe verbleiben konnte.

Der Fremdkörper

Einige Jahre später erkrankte Joachim ernsthaft an Herzrhythmusstörungen. Jeder Anfall erzeugte ein lebensbedrohliches Gefühl. Nach einigen Monaten Bettruhe empfahl der Arzt viel frische Luft. Natürlich führte – wie konnte es anders sein – der erste Spaziergang zur nahegelegenen Museumsbahn. Nach der Hälfte des Weges kündigte sich ein neuer Anfall an. Mit letzter Kraft konnte sich Joachim in das historisch restaurierte Museums-Bahnhofsgebäude schleppen und legte sich auf eine Bank im Warteraum. Nachdem er wieder zu Kräften gekommen war, fiel sein Blick auf einen Fremdkörper: ein modern anmutender Kalender mit Eisenbahnbildern. Eigentlich waren hier nur historische Gegenstände erlaubt!! Verwundert nahm er ihn und blätterte darin. Unter jedem Foto fand sich ein Vers aus der Bibel, der zum Bild passte. An einem Kalenderblatt blieb sein Blick hängen:

Es zeigte ein Foto ausgerechnet von der Heimat-Bahnstrecke seiner Kindheitstage, aufgenommen von einem ihm persönlich bekannten Fotografen. Darunter stand der Bibelvers: «Heile du mich, Herr, dann werde ich gesund. Hilf du mir, dann ist mir geholfen.» (Jeremia 17,14) Er wusste sofort: «Hier spricht Gott genau zu mir!». Das erinnerte ihn daran, Hilfe nicht nur bei moderner Medizin und Ärzten zu suchen, sondern auch beim Arzt aller Ärzte, dem Heiland und Schöpfer dieser Welt. Neue Hoffnung und intensives Gebet verdrängten in den folgenden Tagen die bisherige Lethargie der Krankheit – und bereits zwei Wochen danach war er wieder arbeitsfähig!

Alles hatte einen Sinn

Rückblickend konnte er feststellen, dass das ganze Leid einen tieferen Sinn hatte: Weil er durch die Krankheit geschwächt war, verbrachte er das Weihnachtsfest mit seiner Mutter und nicht mit Freunden. Es wurde eines seiner schönsten – und das letzte für seine Mutter. Er konnte nun glauben, dass auch für ihn gilt: «Wir wissen, dass für die, die Gott lieben alles zum Guten führt.» (Römer 8,28) Nicht mehr das Leiden stand seither im Vordergrund, sondern die positive Erkenntnis.

Der schwere Entschluss

Joachims Dampflok diente nach ihrer äusserlichen Aufarbeitung noch einige Jahre als schmuckes Ausstellungsstück, musste aber dann den Lokschuppen zugunsten der Betriebsloks räumen. Wie bei den anderen im Freien stehenden Exponaten drohten nun Witterungseinflüsse, Diebstahl und Vandalismus die jahrelange Restaurationsarbeit zu gefährden. Am letzten Tag, an dem er endgültig über die weitere Zukunft seiner Lok entscheiden musste, fand Joachim an einer Hauswand ein grosses handgemaltes Plakat mit dem Bibelvers aus Matthäus 6, 19 – 21: «Sammelt keine Reichtümer hier auf der Erde an, wo Motten oder Rost sie zerfressen können … Sammelt eure Reichtümer im Himmel … Denn wo dein Reichtum ist, da ist auch dein Herz.» Das traf wieder exakt in seine damalige Situation. Und so konnte er seine Lok – zwar schweren Herzens aber im Wissen das Richtige zu tun – zum Verkauf anbieten. Heute ist sie im Süddeutschen Eisenbahnmuseum in Heilbronn zu bewundern.

Joachim besitzt jetzt nur noch einige dampfbetriebene Lokomotiv-Modelle verschiedener Spurweiten. Zum «Dampf-Schnuppern» fährt er regelmässig in den nahe gelegenen Harz.

Daniel Saarbourg

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